Yolanda Wespi Tizianel, Sie verwalten als Leiterin der PKSL fast 2 Milliarden Franken. Hätten Sie das gedacht, als Sie Ihre Ausbildung machten?
Bestimmt nicht! Ich hatte zwar schon immer gern Zahlen und absolvierte meine Lehre auf der Filiale einer kleinen Bank. Ich wollte die Berufsmatura machen, aber das kam damals im Betrieb nicht gut an. Es herrschte Lehrstellenmangel – so blieb es vorerst bei der Lehre.
Wie gings danach weiter?
Ich ging ein halbes Jahr nach Paris, um Französisch zu lernen. Das war hartes Brot: Meine Tage waren bis zu 14 Stunden lang, ich machte alles von Kinderbetreuung über Kochen, Haushalten und den jungen Labrador betreuen. Am Schluss gehorchte er auf Schweizerdeutsch (lacht)!
Mit 20 traten Sie eine Stelle bei der Lehrerpensionskasse des Kantons Luzern an – und sind der Vorsorge bis heute treu geblieben. Wie kam es dazu?
Das war Zufall, weil ich da jemanden kannte. Danach wechselte ich zu PwC Luzern in die Wirtschaftsprüfung und betreute während 15 Jahren viele Pensionskassen und Stiftungen. Ich liebte dieses Vagabundenleben, vor Ort bei den Kunden in der ganzen Schweiz. Ausserdem unterrichtete ich am KV Luzern Finanz- und Rechnungswesen und hatte mich stetig weitergebildet. Das Thema Vorsorge hatte mich gepackt!
Heute leiten Sie seit vier Jahren die PKSL – und sind für sehr unterschiedliche Betriebe und Versicherte zuständig.
Ja, wir haben 19 angeschlossene Unternehmen. Neben der Stadt Luzern sind dies das Elektrizitätswerk, Altersheime, das Luzerner Theater, das Hallenbad, die Verkehrsbetriebe Luzern und viele mehr. Es ist ein bunter Mix von Berufsgattungen, die bei uns versichert sind – das macht meine Aufgabe so spannend!
Sie verwalten Vorsorgegelder von über 4’000 aktiv Versicherten und 2’400 Rentenbeziehenden. Was mögen Sie an Ihrer Arbeit am liebsten?
Am liebsten mag ich den direkten Kontakt zu unseren Destinatären. Wir gehen oft in die Betriebe und erklären das System der Vorsorge. Die spannendsten Gespräche ergeben sich nach der Präsentation im persönlichen Austausch. Gleichzeitig sehe ich da auch unsere grösste Herausforderung.
Wie meinen Sie das?
Das Thema Pensionskasse ist so komplex geworden, dass viele Menschen einen Abwehrreflex entwickeln. Sie haben das Gefühl, dass alles, was mit der 2. Säule zu tun hat, so unglaublich kompliziert ist, dass sie es sowieso nicht verstehen. Gleichzeitig liegt der Grossteil ihres Vermögens in der Pensionskasse. Um dieses Spannungsfeld zu mindern, müssen wir stetig an unserer Kommunikation arbeiten und komplexe Sachverhalte auf einfache und verständliche Weise erklären.
Studien verweisen auf eine zunehmende Tendenz weg von den Renten, hin zu Kapitalbezügen. Können Sie das bestätigen?
Ja, diesen Trend spüren wir auch. Die Möglichkeit zum 100%igen Kapitalbezug haben wir erst kürzlich eingeführt, was auch viele Versicherte nutzen. Die meisten Bezüger wählen einen Mix aus Kapitalbezug und Rente. Man muss sehen: Ein Kapitalbezug tönt auf den ersten Blick gut, hat aber auch seine Tücken.
Weshalb?
In erster Linie denkt man daran, was man mit so viel Kapital machen möchte – und nicht daran, was mit dem Kapital passieren soll, wenn man nicht mehr darüber entscheiden kann. Sollen es die Kinder bekommen, wenn man stirbt? Oder möchte man lieber die Partnerin begünstigen? Wie funktioniert das genau? Und: Was passiert, wenn man aufgrund einer Krankheit nicht mehr selbst über das Geld entscheiden kann? Eine unabhängige Beratung ist unerlässlich, bevor man diese wichtige Entscheidung trifft, denn sie ist unumkehrbar.
Kommen wir zu einer Besonderheit der PKSL: den Immobilien.
Ja, wir besitzen 1’150 Wohnungen und 65 Gewerberäume, allesamt in der Region Luzern. Zunächst ist das natürlich ein Privileg – Immobilien sind bodenständige und sichere Anlagen, davon profitieren unsere Versicherten.
Aber?
Unsere Pensionskasse ist nach dem 1. Weltkrieg entstanden. Die meisten unserer Gebäude wurden zwischen 1900 und 1980 erbaut und sind entsprechend sanierungsintensiv. Das ist eine grosse Herausforderung.
Wie gehen Sie diese an?
Nehmen wir das Beispiel einer Siedlung in der Nähe von Luzern, die wir sanieren müssen. Die Sanierung ist aufgrund der Eingriffstiefe im Gebäude nur im unbewohnten Zustand möglich. Über 100 Mietparteien müssen in den nächsten 2 bis 3 Jahren für 10 Monate ausziehen. Wir möchten, dass alle Mietenden eine Anschlusslösung finden. Dazu haben wir vor Ort ein Büro eingerichtet, wo wir die Mietenden beraten. Wir unterstützen sie bei der Wohnungssuche, bieten ihnen flexible Kündigungsfristen oder andere Wohnungen aus unserem Portfolio an und übernehmen einen Teil der Umzugskosten.
Und wenn sie weiterhin dort wohnen möchten?
Nach der Sanierung wird allen Mietenden eine Wohnung angeboten und die neuen Mietzinsen bleiben fair. Möchten sie wieder in ihre «alte» Wohnung ziehen, bezahlen sie ihre vorherige Miete plus den gesetzlich vorgesehenen Beitrag an die Sanierungskosten. Es ist uns bewusst, dass solche Situationen schwierig sind. Es geht um Familien, um Menschen, die teilweise schon lange dort wohnen.
Ein ganz anderer Spirit als in anderen Städten!
Wir sind stolz auf unsere Mietenden – sie tragen den Wohnungen Sorge. Darum wollen wir auch zu ihnen Sorge tragen und ihnen das Leben so einfach wie möglich machen. Manchmal sind Sanierungen nötig, weil die Häuser schlicht nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen. Wir möchten mit unserem Immo-Portfolio bis 2040 CO2-neutral werden.
Ein Spagat zwischen Fairness und Rendite…
Ja, das ist es. Die Mieten aus den Häusern tragen dazu bei, dass die Rentner ihre Renten erhalten und die aktiv Versicherten ihr angespartes Kapital verzinst bekommen. Wir sind stolz, dass wir eine gesunde Pensionskasse sind. Ende 2024 betrug der Deckungsgrad 118,1%, und wir haben einen Umwandlungssatz von 5% im Alter 65. Damit sind wir sehr gut aufgestellt.
Sie arbeiten mit den Swisscanto Anlagestiftungen – wie empfinden Sie diese Zusammenarbeit?
Sehr angenehm! Die Wege sind kurz und die Abwicklung sehr unkompliziert, wenn wir zum Beispiel Anteile kaufen möchten. Man kennt sich und weiss, wovon man spricht. Das schätze ich sehr.
Vom Büro zur Freizeit: Wie erholen Sie sich von Ihrer Arbeit?
Die Familie ist mein Anker mit meinem Mann und unseren beiden Kindern. In der Freizeit mutiere ich zur Uber-Fahrerin, am liebsten zu Fussball- und Volleyball-Matches der Kinder (lacht). Daneben pflege und geniesse ich unseren Garten, koche gerne und praktiziere seit 20 Jahren Yoga. Viel Zeit für aufwändige Hobbys habe ich tatsächlich nicht. Aber ich habe ein Credo: Ich probiere jedes Jahr etwas Neues aus, was ich noch nie gemacht habe. Daraus ergeben sich lustige Erfahrungen. Ich habe zum Beispiel einen Karatekurs gemacht, Stand-up-Paddling gelernt, als Fleischesserin einen veganen Kochkurs belegt, einen Holzschnitzkurs besucht oder Vespa fahren gelernt. So komme ich aus der Komfortzone. Und manchmal gefällt mir etwas auch so gut, dass ich hängen bleibe!