«Vom Tellerwäscher zum Banker»

Jürg Bühlmann wurde am 25. Oktober 2024 in den Stiftungsrat der Swisscanto Anlagestiftungen gewählt. Der Leiter Firmenkunden bei der Zürcher Kantonalbank erzählt im Interview über seine Kindheit, seine literarischen Vorlieben und die Zukunft unseres Vorsorgesystems.
Jürg Bühlmann im Gespräch mit Swisscanto-Geschäftsführerin Sonja Spichtig

Jürg Bühlmann, Sie wurden an der Anlegerversammlung mit überwältigender Mehrheit in den Stiftungsrat gewählt. Was war das für ein Gefühl?

Ein wunderbares! Ich wurde sehr wohlwollend aufgenommen und konnte beim Mittagessen gleich neue Kontakte knüpfen. Das liebe ich an meinem Beruf: Es vergeht fast kein Tag, an dem ich nicht neue Menschen mit spannenden Lebensläufen und Backgrounds kennenlerne.

Wie sieht denn Ihr persönlicher Background aus?

Ich bin in einfachen Verhältnissen in Kloten aufgewachsen. Einer meiner Grossväter war Fabrikarbeiter, der andere Strassenbauer. Ich verdiente mein erstes Geld als Gymnasialschüler bei der Fabrik Eierschmid AG, indem ich vor Ostern am Förderband Eier sortierte. Diese Tätigkeit – Schachtel öffnen, Eier auf das Förderband legen – war sehr monoton und am Abend des ersten Tages eröffnete ich meiner Mutter, dass ich nicht mehr hingehen wolle. Sie meinte nur, dass ich das jetzt durchziehen müsse. Ich konnte danach lange keine Eier mehr essen, aber dieser Job lehrte mich Demut und dass nichts selbstverständlich ist. In den Folgejahren arbeitete ich während den Ferien in der Küche eines Restaurants, wo ich Teller spülte und Salat wusch. Mein erster Job nach dem Studium führte mich dann zur Zürcher Kantonalbank, sozusagen vom Tellerwäscher zum Banker (lacht).

Ihr Vater arbeitete bereits bei der ZKB. War Ihr Weg somit vorgezeichnet?

Nein! Ich sagte meinem Vater als Teenager immer: Das mache ich sicher nicht auch so.

Portrait Jürg Bühlmann Stiftungsrat Swisscanto Anlagestiftung
Zuhören, Fragen stellen, einen Überblick gewinnen: Mit diesen Vorsätzen startet Jürg Bühlmann in den Stiftungsrat der Swisscanto Anlagestiftungen.

Und trotzdem ist es passiert – Sie sind mittlerweile schon 31 Jahre bei der ZKB.

Nach dem Studium fiel meine Wahl auf die ZKB, weil man mir die Mitarbeit in einem spannenden Projekt anbot. Es war eine Aufgabe im Controlling: Der Aufbau einer Prozesskostenrechnung in der Bank. Wir sollten herausfinden, mit welchen Kunden und Produkten die Bank Geld verdient oder verliert. Im Verlauf der Jahre konnte ich mich stetig weiterentwickeln, leitete ein IT-Team, verantwortete das Immobilienportfolio und kam so von einem interessanten Projekt zum nächsten. Heute bin ich Leiter Firmenkunden.

Und neu Stiftungsrat bei den Swisscanto Anlagestiftungen. Was haben Sie in dieser Rolle vor?

Zuerst möchte ich im Gremium ankommen und einen Überblick gewinnen. Meine Rolle sehe ich darin, zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen. Mit meinem beruflichen Hintergrund bringe ich viel Wissen aus der Immobilienbranche mit. Bei diesem Thema kann ich ein guter Sparringspartner sein. Ich möchte zudem für optimale Rahmenbedingungen sorgen und dazu beitragen, dass sich die Stiftungen nachhaltig entwickeln und zum Wohl der Anlegerinnen und Anleger wachsen können.

Was macht die Swisscanto Anlagestiftungen speziell?

Die Swisscanto Anlagestiftungen sind als Gemeinschaftswerk der Kantonalbanken gegründet worden und stehen nach wie vor für Verlässlichkeit, Kontinuität, Bescheidenheit und Glaubwürdigkeit. Typisch schweizerische Eigenschaften, die es zu bewahren gilt. Wir sind nicht auf Gewinnmaximierung fixiert und setzen uns für eine verantwortungsvolle Anlage der Gelder ein.

Interview Stiftungsrat Jürg Bühlmann und Geschäftsführerin Sonja Spichtig Swisscanto Anlagestiftung
Ein Amt mit Weitblick: Jürg Bühlmann und Sonja Spichtig am Hauptsitz der Zürcher Kantonalbank, dem Arbeitsort des neu gewählten Stiftungsrats.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Pensionskassen im aktuellen Umfeld?

Eine grosse Herausforderung ist sicher das Verwalten der Anlagen im wiederkehrenden Tiefzinsumfeld. Zum Glück sind die meisten Vorsorgeeinrichtungen solide aufgestellt nach dem guten Anlagejahr 2023. Zudem geht die Konzentrationstendenz bei den Pensionskassen hin zu Sammelstiftungen weiter. Sorgen bereitet mir auch die wachsende Rentnergeneration und damit einhergehend die zukünftige Finanzierungslücke. Obwohl es derzeit unrealistisch scheint: Es gibt keinen anderen Weg, als in der Zukunft höhere Beiträge zu leisten oder länger arbeiten zu müssen. Das Pensionsalter 65 stammt aus einer Zeit, als die Menschen eine kürzere Lebenserwartung hatten. Die Bestrebungen, die 2. Säule zu reformieren, müssen trotz der abgelehnten BVG-Reform unbedingt fortgeführt werden.

Weshalb ist es so schwierig, das System zu reformieren?

Vermutlich deshalb, weil es so komplex ist. Nehmen wir ein Beispiel: Nur wenige Personen können einen Pensionskassenauszug richtig lesen, das gilt übrigens auch für Mitarbeitende aus der Finanzbranche. Wie soll es uns dann gelingen, den Wählerinnen und Wählern eine BVG-Reform zu erklären? Wir müssen versuchen, die berufliche Vorsorge in klare und verständliche Botschaften zu transportieren. Mit dem Ziel, die Destinatäre zu motivieren, sich für ihre Vorsorge zu interessieren.

Neuerdings gibt es Pläne, die Steuervorteile bei Kapitalbezügen der 2. und 3. Säule aufzuheben …

Die Regeln während des Spiels ändern zu wollen, finde ich nicht seriös, sie beschädigen das Vertrauen in die berufliche Vorsorge zusätzlich. Ich hoffe, dass diese Pläne vom Parlament wieder verworfen werden. Leider ist der Schaden schon angerichtet.

Interview Stiftungsrat Jürg Bühlmann und Geschäftsführerin Sonja Spichtig Swisscanto Anlagestiftung
Neue Horizonte erkunden – dieses Motto begleitet den neuen Stiftungsrat Jürg Bühlmann auch im Privaten.

Sie sind ein vielbeschäftigter Mann und haben nebst Ihrer Haupttätigkeit bei der ZKB nun ein weiteres Mandat. Wie sieht Ihre Work-Life-Balance aus?

Ich bin ein leidenschaftlicher Leser: geschichtliche Bücher, Biografien und Literatur, zum Beispiel die Biografien von Hans-Dietrich Genscher und Wolfgang Schäuble. Ich kann mich für vieles begeistern. Ausser vielleicht für Robert Musils «Mann ohne Eigenschaften». Ich versuche immer noch herauszufinden, weshalb dieses Buch zur Weltliteratur zählt. Ich gebe nicht auf, manchmal ist der Weg das Ziel (lacht). Ich mag auch Kunstbücher. Wussten Sie, dass die erste Ausstellung der Impressionisten kaum Beachtung fand und Claude Monet lange Mühe hatte, seine Bilder zu verkaufen? Ich besuche oft Kunstausstellungen mit meiner Frau, zum Glück teilen wir die gleichen Interessen. Und dann spiele ich noch Klavier.

Klavierspielen ist ein eher ungewöhnliches Hobby für einen Banker …

Die Nachbarstochter spielte damals bereits mit sieben Jahren Klavier, das hat mich beeindruckt und ich wollte das auch lernen. Ich brauchte zwar immer Druck zum Üben, aber ich hatte Freude, vor Publikum zu spielen. Der Höhepunkt war das jährliche Vorspielen im Altersheim. Zu Beginn kamen immer die Anfänger und am Schluss die Besten. In den letzten Jahren war ich dann immer der Letzte (lacht).

Wie entspannen Sie sich sonst noch?

Ich würde es nicht Entspannung nennen, aber es macht mir sehr viel Spass, mit meiner Frau, den Göttikindern oder meiner Nichte gemeinsame Ausflüge und Reisen zu unternehmen. Ich liebe es, fremde Orte und Kulturen zu entdecken und mich überraschen zu lassen. Zum Beispiel in Würzburg: Wer hätte gedacht, dass das Schloss da noch prächtiger ist als in Versailles und Schönbrunn zusammen!

Interview Stiftungsrat Jürg Bühlmann und Geschäftsführerin Sonja Spichtig Swisscanto Anlagestiftung
Vorwärts, die Swisscanto Anlagestiftungen noch besser aufstellen: Dieses Motto vereint den neuen Stiftungsrat Jürg Bühlmann und Sonja Spichtig.

Bleibt Ihnen genügend Zeit zum Reisen?

Ich organisiere mich! Das gilt auch für Treffen mit Freunden. Die Abende unter der Woche sind meist schon ausgefüllt, und ich muss weit vorausplanen. Aber daran gewöhnt man sich. Zudem müssen es auch nicht immer weite Reisen sein. Ich freue mich genauso, wenn ich mit meiner Frau zusammen einen Nachmittag auf dem Golfplatz verbringen kann, draussen an der Sonne.

Jürg Bühlmann, besten Dank für das persönliche Gespräch und viel Erfolg in Ihrer neuen Funktion!

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