Von digitalen Kunstwerken und realen Herausforderungen

Was haben ein gelangweilter Affe und die Schweizer Wirtschaft gemeinsam? Mehr als man denkt. An der 49. Anlegerversammlung der Swisscanto Anlagestiftung und der 16. Anlegerversammlung der Swisscanto Anlagestiftung Avant blickten die Experten in die Zukunft. Und die sieht ganz versöhnlich aus.

Im herrschaftlichen Hotel Palace in Lausanne begrüsste Stiftungsratspräsident Davide Pezzetta die Anwesenden. Mit einem Video über die Weinberge des Lavaux, das Montreux Jazz Festival, die EPFL und Präzisionsmechanik überbrachte Fabrice Welsch, Generaldirektor Asset Management & Trading, das Grusswort der Waadtländer Kantonalbank.

Davide Pezzetta, Stiftungsratspräsident Swisscanto Anlagestiftungen führte durch die Versammlung.

Die Geschäftsführerin Sonja Spichtig berichtete über das vergangene Geschäftsjahr, das mit dem vorigen nicht mithalten konnte. «Die Marktentwicklung im ersten Halbjahr 2022 sorgte für deutliche Einbussen in den Anlagekategorien», bilanzierte sie. Doch noch immer verwalteten die Swisscanto Anlagestiftungen per 30. Juni 2022 ein Vermögen von 18.9 Milliarden Franken, wovon Immobilien den grössten Teil ausmachten, gefolgt von Obligationen und Mischvermögen. «Wir verwalten 232 Liegenschaften, 8478 Wohnungen und vermieten eine kommerzielle Nutzfläche von über 540’000 m², was der Fläche von rund 76 Fussballfeldern entspricht», versinnbildlichte Sonja Spichtig die Grösse des Immobilienportfolios. Dieses orientiert sich bei der CO2-Reduktion an den Zielwerten des Pariser Klimaabkommens und weist eine Fremdfinanzierungsquote von unter 7% auf. Im Anschluss an diese Ausführungen führte Davide Pezzetta zügig durch die Traktanden, welche die Anlegerinnen und Anleger nahezu einstimmig genehmigten.

Fabrice Welsch, Generaldirektor Asset Management & Trading der Waadtländer Kantonalbank stellt seinen Kanton vor.

«Ich hatte beim Kaffee vorhin das Gefühl, manche hätten Mitleid mit denen, die sich mit den Märkten beschäftigen.» Mit diesen selbstironischen Worten startete Stefano Zoffoli, Chefstratege Asset Management der Zürcher Kantonalbank seinen traditionellen Market Outlook. Um dann gleich zu beschwichtigen: «Ich bin überzeugt, wir werden auch diese Krise bewältigen.» Dass wir es momentan mit einer Krise zu tun haben, zeigen die Zahlen deutlich: Die gemischten 60/40-Portfolios aus Aktien und Obligationen hatten in den letzten hundert Jahren nur gerade in vier Jahren schlechter abgeschnitten als im letzten Geschäftsjahr. «Wir hatten Verluste auf beiden Seiten», sagte Zoffoli. «Wir spürten nicht nur die Effekte von Covid-19, sondern auch einen Zinsanstieg und die geopolitischen Spannungen.»

Die Folge davon: Es gibt weniger Liquidität auf dem Markt. «Und das wird noch bis zum Anfang des nächsten Jahres so sein», prognostizierte Stefano Zoffoli. In der Schweiz rechnet er bis Anfang 2023 mit einer Inflation von rund 4%. Das ist allerdings nur halb so viel wie im Ausland.

Was bedeutet die gegenwärtige Situation für die Positionierung der Mischvermögen der Swisscanto Anlagestiftungen? Per Oktober 2022 waren Obligationen untergewichtet, Aktien neutral und Immobilien übergewichtet. «Ich bin zuversichtlich, dass wir im nächsten Jahr positive Resultate erzielen werden, nachdem die Firmen ihre Korrekturen vorgenommen haben», beschied Zoffoli. Er wagte sogar einen Ausblick, wie positiv er die Resultate sieht: «Ich prognostiziere 5% in einem gemischten Portfolio.»

Stefano Zoffoli, Chefstratege der Zürcher Kantonalbank, skizzierte positive Zukunftsszenarien.

Einblicke in ein völlig anderes Portfolio präsentierte die Kunsthistorikerin und freie Beraterin Christina von Rotenhan. Sie referierte zum Thema digitale Kunst und dem neuen Trend der Non Fungible Tokens, kurz NFT. Diese digitalen Kunstwerke bestehen im Grunde nur aus ihrem Echtheitszertifikat, das in einer dezentralen Datenbank, einer sogenannten Blockchain, gespeichert ist. «Die Anwendungsmöglichkeiten solcher NFTs sind vielfältig», sagte Christina von Rotenhan. «Es gibt digitale Sammelkarten wie früher Fussball-Bildchen auf dem Pausenplatz, aber auch Eintrittskarten, Videoclips, Tweets und Gaming-Inhalte.» Die Preise solcher NFTs können mittlerweile locker mit dem analogen Kunstmarkt mithalten. So wurde ein Bild des ersten Tweets von Twitter-Gründer Jack Dorsey für 2.9 Millionen US-Dollar verkauft. Und die Besitzurkunde für den Quellcode des World Wide Web wechselte für 5.4 Millionen US-Dollar den Besitzer. Sogar ein digitales Haus wurde schon verkauft – für eine halbe Million US-Dollar.

Geschäftsführerin Sonja Spichtig berichtete über das vergangene Geschäftsjahr und das grüne Engagement der Swisscanto Anlagestiftungen.

Aber was macht das Sammeln solcher NFTs so attraktiv – wo sie doch nichts als Urkunden sind, und auch das nur digital? «Sie sind einzigartig und nicht fälschbar», antwortet Christina von Rotenhan. «Jeder NFT ist ein Original.» Dies im Gegensatz zu Bitcoins, die unter sich austauschbar sind. Digitale Kunst sei zudem demokratischer als herkömmliche, beschied von Rotenhan. «Man braucht dazu weder Galerien, Präsenz in Museen oder Messen.» Digitale Kunst lebt von der Community: Hat der Künstler viele Instagram-Follower und ist präsent, gut im Marketing und dem Bedienen der Erwartungen der Käufer, trägt dies massgeblich zu seinem Erfolg bei. «Der digitale Künstler ist eine Art Content Creator», erklärte sie.

Gerade während Corona sei die digitale Kunst für viele auch neu in den Markt drängende Künstler eine Möglichkeit gewesen, online Geld zu verdienen. Der US-amerikanische Grafiker Mike Winkelmann, Künstlername «Beeple», ist ein Paradebeispiel dafür: Er verkaufte ein NFT einer Collage seiner Bilder für 69 Millionen US-Dollar. NFTs werden meist nicht einfach verkauft, sondern versteigert. Der Markt generiert den Wert. Selbst renommierte Künstler wie Damien Hirst springen auf diesen Zug auf. Hirst stellte eine Serie seiner Bilder zum Verkauf. Die Käufer bekamen die Werke sowohl real als auch als NFT und mussten sich nach einem Monat entscheiden, welche Version sie behalten wollten. Die andere wurde jeweils zerstört. «Das ist eine interessante Art zu testen, wie sehr die NFTs schon in der Community angekommen sind und wie die eigenen Werke auf dem neuen Markt gekauft werden», fand Christina von Rotenhan.

Expertin Christina von Rotenhan gewährte Einblicke in die Welt der digitalen Kunstwerke.

Die Referentin zeigte auf, dass grosse Auktionshäuser wie Sotheby’s und Christie’s auf den Aufschwung rund um NFTs reagiert haben. Sie verfügen mittlerweile über eigene Verkaufsplattformen für digitale Werke. Doch digitale Kunst sei oft auch ein Risiko, so die Expertin: «Wir kaufen Werke, von denen wir glauben, dass sie bedeutend sind – mit dem Risiko, dass sie auch schnell wieder an Bedeutung verlieren können.» Mittlerweile sind NFTs Spekulationsobjekte geworden. «Wir bewegen uns damit wie auf dem Börsenparkett.» So wurde ein Video von Beeple von einem Käufer für 67’000 US-Dollar gekauft – und für weit über 6 Millionen US-Dollar weiterverkauft. Ein etwas geringeres Risiko bilden NFTs, die sich in eine Serie ähnlicher Werke einordnen, ähnlich wie Fussball-Bildchen. Als Beispiel einer solchen Serie nannte Christina von Rotenhan eine Sammlung von Bildern eines gelangweilten Affen im Comic-Stil aus der Reihe des «Bored Ape Yacht Club». Bildchen, so stabil wie die Schweizer Wirtschaft? Dieses Thema faszinierte auch die Anwesenden. «Könnte die Strommangellage auf solche Kunstwerke Einfluss haben?», wollte ein Teilnehmer wissen. «Durchaus», so von Rotenhan. Sind doch für die Kryptowährungen grosse Mengen Energie notwendig. Energie gab es dann auch analog, in Form eines schmackhaften Stehlunches – inklusive spannender Diskussionen über Kunst, Kultur und Anlagestrategien. 

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