Vom Finanzparkett ins Kulturmilieu

Andrea Gerst leitet die Pensionskasse des Opernhauses Zürich. Sie ist verantwortlich für rund 1000 Versicherte – und hat eine Schwäche fürs Ballett.

Frau Gerst, Sie haben einst Fonds gemanagt und waren Analystin im Asset Management einer Grossbank und leiten heute die Pensionskasse des Opernhauses Zürich. Sind Sie eine heimliche Musikerin?

(Lacht) Ich kann zwar einigermassen Noten lesen und auf dem Klavier eine Melodie spielen. Als Musikerin würde ich mich aber definitiv nicht bezeichnen – leider.

Wie kamen Sie zum Opernhaus?

Das war purer Zufall! Eine Kollegin erzählte mir beim Käsefondue, dass der Pensionskassenleiter des Opernhauses in Kürze pensioniert werde. Da wusste ich: Diesen Posten will ich haben. Ich setzte mich hin und schrieb die wichtigste Bewerbung meines Lebens.

Was faszinierte Sie daran? Der Job als Pensionskassenleiterin oder der Arbeitsort im Opernhaus?

Eigentlich beides. Ich wollte mich beruflich verändern und fand das Opernhaus zudem sehr verlockend als Arbeitsort.

Waren Sie zuvor eine regelmässige Besucherin?

Auf jeden Fall eine begeisterte! Ich war immer wieder mit einer Kollegin da, die im Opernhaus arbeitete. Sie durfte die Generalproben besuchen und hat mich mitgenommen. Ich konnte bereits einen kleinen Blick hinter die Kulissen werfen – da hat es mich vermutlich gepackt.

Opernhaus-Pensionskassenleiterin Andrea Gerst und Sonja Spichtig von der Swisscanto Anlagestiftung sehen hinter die Kulissen der Vorsorge.

Kurz nachdem Sie Ihre Stelle angetreten hatten, kam Corona. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Für die Künstler war das brutal. Von einem Tag auf den andern konnten sie nicht mehr vor Publikum auftreten, bekamen keinen Applaus, kein Feedback mehr. Während rund eines Jahres hatten wir Kurzarbeit. Aber für mich war es vor allem beeindruckend zu sehen, wie sich alle zusammengerauft und nach Lösungen gesucht und auch gefunden haben. Das grosse Orchester durfte zum Beispiel nicht mehr im Opernhaus spielen, wegen der Abstandsvorschriften. Doch im Übungsraum am Kreuzplatz schon. So wurde das Orchester live ins Opernhaus zugeschaltet – und es hat funktioniert!

Ohne Pannen?

Fast. Ich kann mich erinnern, dass die Übertragung einmal nicht funktioniert hat. Da haben die Verantwortlichen kurzerhand einen Flügel auf die Bühne gestellt, eine Pianistin hat sich hingesetzt und die Aufführung von A bis Z begleitet. Sie war Plan B, und obwohl sie als Repetitorin das Stück mit dem Ensemble eingeübt hatte, fand ich das bewundernswert.

Das Opernhaus Zürich hat Vorführungen teilweise live gestreamt und dem Publikum so gratis zugänglich gemacht. Welches Echo hatten Sie darauf?

Ein grossartiges! Viele Leute waren unglaublich froh, dass sie trotz Corona einer Aufführung beiwohnen konnten – und sei es auch nur über Livestream. Ich glaube, das hat vielen Personen die Oper nähergebracht, die noch nie im Opernhaus gewesen waren. Und es hat viel Goodwill geschaffen in der Bevölkerung.

Ging das finanziell auf?

Ja, erstaunlich gut. Wir erfuhren eine enorme Solidarität aus der Bevölkerung. Viele spendeten ihre Jahreskarte ans Opernhaus. Sponsoren blieben uns treu, obwohl wir kaum noch Aufführungen vor Ort hatten.

Das Opernhaus Zürich: Ein Ort, an dem die Musik spielt. Und die Tänzerinnen und Tänzer ihre Pirouetten drehen.

Sie stehen einer Künstler-Pensionskasse vor. Da stellt man sich ein stetiges Kommen und Gehen bei den Mitgliedern vor. Trifft das zu?

Nein, eigentlich nicht. Erstens sind nur die Hälfte der Versicherten Künstler. Die andere Hälfte besteht aus Bühnenbildnern, Verwaltungspersonal, Backoffice. Zweitens sind viele der Künstler feste Mitglieder des Ensembles. Da gibt es Leute, die zehn, zwanzig, dreissig Jahre dabei sind. Die Starsänger, die nur eine Saison hier auftreten, sind meist nicht beim Opernhaus angestellt. Natürlich gibt es auch junge Künstler, die für eine Saison engagiert sind und dann weiterziehen. Sie sind aber in der absoluten Minderheit.

Worin bestehen Ihre Aufgaben als Leiterin der Pensionskasse?

Aus hundert kleinen Aufgaben! Ich kümmere mich darum, dass die Renten für die 300 Bezüger der Kasse laufen, dass die Liquidität stimmt und ich berate die 700 aktiven Versicherten. Es sind einfache, aber wichtige Fragen wie: Wie viel Geld habe ich bereits einbezahlt? Wie viel bekomme ich im Alter? Was kann ich tun, um diesen Betrag zu optimieren? Insgesamt verwalten wir ein Vermögen von um die 400 Millionen Franken. Dafür brauchen wir eine langfristige Strategie, auch in Zusammenarbeit mit der Swisscanto Anlagestiftung.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Swisscanto?

Pragmatisch und sehr erfreulich. Wir haben eine langjährige Zusammenarbeit und profitieren von eingespielten Mechanismen. Das funktioniert sehr gut.

Arbeiten, wo andere sich amüsieren: Andrea Gerst und Sonja Spichtig im Foyer des Opernhauses Zürich.

Die Deckung der meisten Pensionskassen ist in den vergangenen Monaten massiv gesunken. Wie sieht es bei Ihrer Kasse aus?

Wir sind vor den Marktbewegungen nicht gefeit, halten uns aber recht gut. Die Deckung beträgt über 100 Prozent. Ich rate zur nötigen Portion Gelassenheit. Selbst wenn die Aktien mal etwas tiefer sind: Sie gehen nicht verloren. Und sie steigen meist wieder. Wir haben unsere Strategie langfristig festgelegt. Dabei wurden mögliche Marktschwankungen berücksichtigt.

Können Sie sich ein solches Zuwarten leisten?

Ja, denn unsere Liquidität ist gesichert. Das Verhältnis der aktiv Versicherten zu den Rentenbezügern ist recht komfortabel. Die Zahlenden finanzieren die Empfänger laufend – sogar mehr als das. Das stellt sicher, dass wir die Renten ausrichten können. Selbst wenn einige Destinatäre einen Kapitalbezug machen, weil sie auswandern, ein Haus bauen oder das Vermögen nach der Pensionierung selbst verwalten möchten.

Nebst der Situation auf den Geldmärkten ist Energie das Schlagwort der Stunde. Wie engagiert sich das Opernhaus in diesem Thema?

Wir haben eine Taskforce, die sich damit beschäftigt: Wir regulieren die Temperatur in den Räumlichkeiten, haben die Beleuchtung in der Nacht reduziert und sensibilisieren unsere Mitarbeitenden. Ausserdem verfügen wir über eine der grössten Solaranlagen im Kanton, auf dem Dach unseres Lagergebäudes in Oerlikon. Sie produziert zehnmal mehr Energie als das Opernhaus braucht. Die überschüssige Menge wird ins Netz des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich eingespeist.

Andrea Gerst hat ihren Platz gefunden: Bei der Pensionskasse des Opernhauses bringt sie ihre Erfahrung als Assetmanagerin ein.

Sie haben einen ausgefüllten Tag. Wie erholen Sie sich von Ihrer Arbeit?

Ich teile meine Arbeit so ein, dass ich eigentlich meistens ganz gelöst nach Hause gehe (lacht). Meine Freizeit verbringe ich gerne mit meiner Familie. Ich bewege mich gerne, mache Spinning, gehe im Winter Skifahren und im Sommer schwimmen im See oder im Freibad.

Also eher kein Besuch im Opernhaus?

Ich habe das Glück, dass ich an den Hauptproben dabei sein darf, weil ich für das Opernhaus arbeite. Davon mache ich oft Gebrauch. Mit meiner Tochter war ich zudem bereits ein paarmal an Ballettaufführungen. Ich mag auch Opern gern, aber für Ballett habe ich eine Schwäche – ich finde das Ensemble des Opernhauses fantastisch!

Besuchen Sie auch gern Opernhäuser im Ausland?

Wenn es sich ergibt. Meistens kann man da leider nicht so spontan hin, in die Scala etwa. Deshalb lasse ich es meist darauf ankommen. In diesem Jahr war ich bei den Bregenzer Festspielen. Da gibt es ebenfalls kein Orchester vor Ort, sondern eins, das eingespielt wird. Wie beim Opernhaus während Corona.

Andrea Gerst, herzlichen Dank für das spannende Interview und die inspirierende Umgebung!

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