Auch die 19. Ausgabe der Schweizer Pensionskassenstudie stiess auf grosse Resonanz: rund 170 Interessierte folgten am 6. Juni der Einladung der Swisscanto Vorsorge AG ins Hotel Park Hyatt Zürich, um die wichtigsten Erkenntnisse der Studie 2019 aus erster Hand zu erfahren.
Stephanino Isele, Leiter Institutionals and Multinationals der Zürcher Kantonalbank, eröffnete als Schirmherr den Anlass und dankte allen, die Zeit, Energie und ihre Daten in die aktuelle Studie einfliessen liessen – die grösste und längste Datenreihe dieser Art. Man wolle allerdings nicht nur nackte Resultate präsentieren, betonte er, sondern «praktikable Lösungsvorschläge, die wir in die öffentliche Debatte einbringen möchten – mit Ihnen gemeinsam».
Die gute Nachricht der diesjährigen Resultate nahm Isele vorweg: Insgesamt bestehe bei den Leistungen aus 1. und 2. Säule nach wie vor ein Polster von knapp 10 Prozent im Vergleich zum Leistungsziel. Der Trend jedoch zeige: «Ohne neue Massnahmen schmilzt das Polster bis zur nächsten Fussball-WM – im Herbst 2022 – weg wie gegenwärtig der Schnee in den Bergen.» Dies sei mehr als unerfreulich: «Es sollte uns massiv zum Denken – oder vielmehr zum Handeln anregen.»
Moderator Martin Spieler nannte diesen Trend provokativ «staatlich bewilligte Ausbeutung der jungen Generation» und wollte wissen, ob der Tiefpunkt jetzt erreicht sei. Reto Siegrist, Geschäftsführer der Swisscanto Vorsorge AG, beruhigte – zumindest zum Teil: «Die Vorsorgeeinrichtungen sind in Bewegung, viele haben die Sparbeiträge und die Beitragsdauer und damit die Sparziele erhöht – und das ist gut so. Leider folgt die Politik diesem positiven Tun und Handeln nicht nach. Das politische BVG Mikado ist endlich auf die Seite zu legen.» Bei einer Rentenreduktion von 15,2 Prozent sei Handeln aber bitter nötig. Siegrist präsentierte drei von fünf aus der Studie abgeleitete Massnahmen, die – jede für sich genommen – die Leistungslücke ausgleichen könnten, und stellte klar: «Die Fragen lauten: An welchem Zipfel wollen wir ziehen – und wie weit können wir ziehen?»
Deutlich weiter als bisher möchte Iwan Deplazes, Leiter Asset Management, Swisscanto Invest by Zürcher Kantonalbank, an zwei der «Zipfel» ziehen, die noch zu wenig Beachtung fänden: der 3. Beitragszahler und die Selbstvorsorge. Dass Politik und Verbände fast ausschliesslich über Leistungsreduktion und Erhöhung der Beitragsdauer sprechen, ärgerte ihn: «Schliesslich schieben wir miteinander rund 1000 Milliarden Franken vor uns her.» Es sei erfreulich, dass die grossen Kassen 2018 vermehrt unrentable Obligationen abgestossen und Indexanlagen zugunsten alternativer Anlagen reduziert hätten, betonte Deplazes, doch insgesamt zeigten sich die Kassen noch zu träge. Seine Empfehlungen lauteten denn auch: «Risikofähigkeit gut ausnutzen, Agilität erhöhen, Branchenbias hinterfragen und Diversifikation maximieren.»
Beurteilung der versicherungstechnischen Ergebnisse durch Reto Siegrist, Geschäftsführer Swisscanto Vorsorge AG und die Beurteilung der anlagetechnischen Ergebnisse durch Iwan Deplazes, Leiter Asset Management, Swisscanto Invest by Zürcher Kantonalbank.
Einen eigentlichen Systemwechsel hielt im anschliessenden Podiumsgespräch niemand für nötig – wohl aber eine grössere Flexibilität des Systems. Christoph Plüss, Partner bei Allvisa AG, erklärte: «1985 lagen andere sozialpolitische Parameter vor. Wir müssen heutige Lebens- und Arbeitsmodelle einbeziehen.» Ein tieferes Eintrittsalter stiess allgemein auf Zustimmung, besonders mit dem Blick auf den 3. Beitragszahler, wie Mirjam Staub-Bisang, Länderchefin BlackRock Schweiz, betonte: «Je länger die Beitragsdauer, desto risikoreicher kann angelegt werden. Weder die Zinsentwicklung noch die Obligationen werden uns retten.»
Sonja Spichtig, Geschäftsführerin Swisscanto Anlagestiftungen, schlug eine Flatrate von Alter 18 bis 65 vor und empfahl den Kassen zudem, ihre eigene Digitalisierung voranzutreiben. «Wir alle haben lange weggeschaut», mahnte Martin Kaiser vom Schweizerischen Arbeitgeberverband, «jetzt müssen wir die Hausaufgaben machen.» Dazu gehöre seiner Meinung nach die Auseinandersetzung mit der Risikofähigkeit sowie ein genauer Blick auf die Kosten. Auch im letzten Punkt war sich das Podium einig: Man dürfe nicht auf die Politik warten, sondern müsse im Interesse der Versicherten das Heft in die Hand nehmen, Spielräume ausnützen und so zur Sicherung der Vorsorgesysteme beitragen. Passend schloss Gastgeber Isele die Veranstaltung mit der Einladung: «Entdecken Sie die Magie der Stellschrauben!»