«Auch bei der Energiegewinnung braucht es Diversifikation»

Remo Keller ist Leiter der Pensionskasse BKW und verantwortlich für über 5000 Versicherte, Rentnerinnen und Rentner. Im Interview spricht er über dezentrale Energieversorgung, defensive Anlagestrategien und sein neuestes Hobby.

Remo Keller, die BKW feiert ihr 125-Jahr-Jubiläum und beantwortet dazu 125 spannende Fragen. Welche Fragen oder Themen sind für Sie wichtig?

Da gibt es einige. Beruflich beschäftigen mich natürlich das Vorsorgesystem und die Energiewende. Die nachhaltige Sicherung unserer Vorsorge erscheint mir zunehmend wichtiger, zumal diese auf politischer Seite zuweilen nahezu leichtsinnig in Frage gestellt wird. Auf der anderen Seite wünsche ich mir eine realistische Energiewende entlang der ganzen Prozesskette von der Quelle bis zum Endverbrauch. Die Wende kann nur gelingen, wenn wir auf eine diversifizierte Energiegewinnung setzen. Dazu gehört auch ein ausgewogener Mix aus grossen Energieproduzenten einerseits und dezentralen Energiequellen andererseits.

Dafür engagiert sich die BKW, gerade auch mit ihren neuen Gesellschaften im Bereich Gebäudetechnik und Engineering. Was steckt dahinter?

Die BKW bietet integrierte Gesamtlösungen in den Bereichen Energie, Gebäude und Infrastruktur an. Sie ist die Betreiberin des grössten Verteilnetzes der Schweiz, sie plant und baut Netzinfrastrukturen. Auf dem Areal des Berner Flughafens realisieren wir zusammen mit der Flughafen Bern AG und Energie Wasser Bern (ewb) die derzeit schweizweit grösste Freiflächen-Solaranlage. Auch im Berner Jura liegen seit längerer Zeit zwei grosse Projekte in der Pipeline, dort geht es um Windkraft. Ausserdem entwickeln wir dank Big Data und Algorithmen datengetriebene Lösungen, um der zunehmend flexiblen und dezentralen Ein- und Ausspeisung von Energie ins Stromnetz gerecht zu werden.

Remo Keller von der Pensionskasse BKW setzt auf eine defensive Anlagestrategie.

Kürzlich hiess es in den Medien, dieses Jahr rechne man in der Schweiz nicht mit einer Energiemangellage – was ist passiert? 

Die Situation hat sich tatsächlich etwas beruhigt. Die Gas- und Wasserspeicher in Europa sind gut gefüllt. Aber die Lage ist volatil. Wenn es in unseren Nachbarländern wieder zu Produktionsengpässen kommt oder sich die geopolitische Lage weiter verändert, kann sich das schnell auf die Energiesituation bei uns auswirken. Wenn wir aus den letzten Jahren etwas mitnehmen sollten, dann ist es der bewusstere und sorgsame Umgang mit Energie – und die Einstellung, dass es nicht selbstverständlich ist, dass immer genügend Strom aus der Steckdose fliesst. 

Also doch wieder Energiesparen? 

Ich würde sagen: Sorgfältig umgehen mit der Ressource Energie. Es fängt im Kleinen und bei jedem Einzelhaushalt an. Es macht keinen Sinn, wenn in allen Räumen des Hauses Licht brennt. Auch Geräte auf Stand-by brauchen unnötig Strom. Zudem lässt sich bei den Unternehmen noch vieles optimieren. Durch Gebäudeautomation ist eine wesentliche Stromeinsparung möglich. Auch in diesem Bereich engagiert sich die BKW.

Sonja Spichtig und Remo Keller diskutieren eine durchaus helle Energiezukunft – dank dezentralen Energiequellen.

Kommen wir von der BKW zu Ihnen: Sie sind seit bald drei Jahren bei der Pensionskasse BKW. Woher kommen Sie beruflich? 

Auch aus der Vorsorge! Ich habe Jus studiert und war an Politik interessiert, so startete ich meine berufliche Karriere mit einem Praktikum bei einer damaligen Aufsichtsbehörde über Pensionskassen. Mein damaliger Betreuer konnte mich nachhaltig für das Thema Altersvorsorge begeistern. Bei der nächsten Stelle half ich mit, eine Pensionskasse komplett umzustrukturieren, was die Umwandlung von einer Gemeinschaftsstiftung in eine Sammelstiftung, den Primatwechsel, eine dringende Sanierung bis hin zur Neugründung einer Sammelstiftung beinhaltete. Es waren über zehn intensive und sehr spannende Jahre. Danach arbeitete ich für eine Gemeinschaftsstiftung eines Berufsverbandes und lernte dabei eine weitere Vorsorgewelt kennen. Bei der Pensionskasse BKW bin ich nun bei einer betrieblichen Pensionskasse angekommen. Ich fühle mich sehr wohl hier: Es hat etwas Familiäres. Der Umgang ist vertrauensvoll und ich spüre die Dankbarkeit der Versicherten für die gelebte Nähe zu ihrer Pensionskasse. Das ist meines Erachtens ein grosser Vorteil einer betrieblichen Pensionskasse gegenüber einer Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung. Doch die immer komplexeren Anforderungen an eine Pensionskasse – das neue Datenschutzgesetz lässt grüssen – fördert das «Kassensterben», was ich sehr bedauere.

Welche Projekte konnten Sie bei der BKW bisher umsetzen, die Ihnen am Herzen liegen?

Wir konnten ein Versichertenportal einführen und haben die Kommunikation etwas aufgefrischt sowie die Website benutzerfreundlicher gestaltet. Auch auf reglementarischer Ebene konnten wir Verbesserungen mit Blick auf den gesellschaftlichen Wandel umsetzen. Zudem organisieren wir Informationsanlässe zum Thema berufliche Vorsorge, um den Dialog zwischen der Pensionskasse und den Versicherten zu fördern. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass unsere Versicherten einen möglichst einfachen Zugang zur Vorsorge finden und das Thema für sie nahbarer wird. Natürlich hat es technisch eher schwer verständliche Elemente drin, aber im Grundsatz ist es nicht so kompliziert, wie viele meinen, es ist eine Frage der Kommunikation. In dieser Hinsicht sind sowohl wir als Pensionskassen gefordert als auch der Verband. Von ihm wünsche ich mir mehr Unterstützung, damit die Pensionskassen positiver wahrgenommen werden. Diesbezüglich bin ich sehr zuversichtlich.

Die Menschen werden immer älter und die Boomer-Generation verabschiedet sich in grosser Zahl aus dem Arbeitsprozess. Wie reagieren die Pensionskassen darauf?

Es gibt drei Möglichkeiten: Wir zahlen mehr in die berufliche Vorsorge ein. Wir erhalten ein kleineres Kuchenstück. Oder wir arbeiten länger. Die Pensionskasse BKW ist diesbezüglich sehr fortschrittlich: Hier gilt bereits seit 20 Jahren ein einheitliches Rentenalter für Frauen und Männer. 

Bald kommt die BVG-Reform vors Volk, die sich diesem Problem annehmen möchte. Was halten Sie davon? 

Ich bin leider versucht zu sagen, dass ich lieber keine Reform hätte als diese. Die Vorlage verknüpft so viele Elemente, dass sie für die meisten Menschen, denen die Vorsorge ohnehin schon zu kompliziert ist, völlig unverständlich ist. Darüber hinaus stellt sie für die Branche ein administratives Unding dar. Ausserdem blockiert die sehr lange Übergangsfrist jegliche Reformen auf Jahre hinaus. Mir scheint, dass es einfacher wäre, einzelne – auch bei der vorliegenden Reform gut gemeinte – und weitgehend unbestrittene Elemente zu reformieren wie beispielsweise den Koordinationsabzug.  

Die BVG-Reform, über die bald abgestimmt wird, ist in den Augen von Remo Keller überfrachtet.

Die Pensionskasse BKW hat rund 3700 Aktive und 1800 Rentner – manche würden sagen: eine ganz schöne Hypothek.

Ich nicht! Zum System der Pensionskasse gehören die Rentnerinnen und Rentner dazu. Wo aktive Versicherte sind, sind irgendwann auch Rentner. Darauf arbeiten wir schliesslich hin. Und das ist auch unser hehrer Auftrag als Pensionskasse: Unseren Versicherten einen finanziell angemessenen Ruhestand zu ermöglichen, indem wir ihnen eine lebenslängliche Rente auszahlen. Das darf nicht als Hypothek verstanden werden, weil wir sonst unseren Zweck untergraben. Die Pensionskasse BKW wurde 1917 gegründet, ist stark mit dem Arbeitgeber verbunden und steht auf soliden Beinen. Die strukturelle Risikofähigkeit ist zwar etwas eingeschränkt aufgrund der Tatsache, dass das Vorsorgekapital rund zur Hälfte auf die Pensionsbezüger fällt. Daher verfolgen wir eine eher defensive und v.a. breit diversifizierte Anlagestrategie. Die langfristige Renditeerwartung (nach Kosten) liegt weit genug über dem Soll, was der Kasse Stabilität gibt. Wir rechnen langfristig, nicht in Jahreszyklen. Und die Pensionskasse BKW befand sich bisher noch nie in einer Unterdeckung.  

Sie arbeiten mit der Swisscanto Anlagestiftung zusammen – was macht die gute Zusammenarbeit aus? 

Die drei Ps: Produkt, Preis und Performance stimmen. Wir arbeiten vor allem im Bereich Immobilien mit der Swisscanto Anlagestiftung zusammen. Das ist eine optimale Diversifikation zu unseren übrigen Anlagen. Diese Zusammenarbeit funktioniert bestens.

Sie verwalten 1,9 Milliarden Franken und tragen eine grosse Verantwortung. Was macht Ihnen am meisten Spass in Ihrem Job? 

Die Zusammenarbeit mit meinem motivierten und langjährigen Team und die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten sowie meine Vision, den Versicherten einen guten Zugang zum Thema Vorsorge zu ermöglichen. Ich fühle mich den Versicherten verpflichtet.  

Welches sind Ihre nächsten Projekte? 

Wir haben einerseits das Thema «ESG-Risiken». Hierzu planen wir ein spezielles Reporting für die Versicherten. Dabei orientieren wir uns u.a. am Standard des Verbandes. Im Übrigen sind bei der BKW in den letzten Jahren viele Gesellschaften hinzugekommen, deren Mitarbeitende in verschiedenen Pensionskassen versichert sind. Wir möchten langfristig dafür sorgen, dass alle Angestellten von guten Vorsorgeleistungen profitieren können.  

Remo Keller, Leiter der Pensionskasse BKW, und Sonja Spichtig vor dem BKW-Hauptsitz in Bern.

Sie sind sehr engagiert im Beruf – wie erholen Sie sich privat? 

Das beginnt mit der Heimreise. Es ist ein Privileg, täglich diese wunderschöne Landschaft zu erleben. Zuhause geniesse ich die Zeit mit meiner Familie im schönen Zimmerwald mit Blick in die Berge. Seit meiner Jugend habe ich eine Affinität zu Musik und spiele ab und zu Klavier und höre u.a. klassische Musik – zum Leidwesen meiner Familie (schmunzelt). An den Wochenenden verbringe ich die Zeit auch gerne mit Kochen. Und – ein positives Überbleibsel der Pandemie – ich gehe gern fischen. Oft begleitet mich unser ältester Sohn. Diese Momente geniesse ich sehr. Mein nächstes Ziel ist der Bodensee, ganz in der Nähe meiner alten Heimat. Vielleicht habe ich dort mehr Erfolg …

Remo Keller, besten Dank für das spannende Gespräch! 

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